Film „Googoosh“: Wie Irans berühmteste Sängerin zur Protest-Ikone wurde (2024)

Im Herbst des Jahres 2022 bewegt sich eine zierliche blonde Frau zaghaft in Richtung der Bühne der Jahrhunderthalle in Frankfurt am Main. Im Konzertsaal herrscht große Vorfreude. Gekommen sind vor allem Exil-Iraner*innen. Sie brennen darauf, die Stimme jener Frau zu hören, die als berühmteste Popsängerin des Irans gilt.

Die Frau ist Faegheh Atashin, Künstlername Googoosh. Bevor die damals 72-Jährige zu singen beginnt, richtet sie eindringliche Worte an ihr Publikum.

Zur gleichen Zeit toben vor allem von Frauen getragene Massenproteste im „Gottesstaat“. Auslöser war der gewaltsame Tod von Jisa Mahsa Amini im Gewahrsam der sogenannten Sittenpolizei. Die Sängerin fordert ihre Fans auf, sich mit den Protestierenden auf den Straßen von Teheran und anderswo zu solidarisieren. „Ihr seid die Töchter Irans“, ruft sie in die Halle und meint die Frauen und Mädchen in ihrer Heimat.

Googoosh: ein international gefeierter Popstar

Dass die kleine Frau mit der großen Stimme die Sphäre der schönen Sangeskunst verlässt und sich politisch äußert, hat weniger mit ihren ursprünglichen künstlerischen Plänen als mit den Verhältnissen in ihrem Geburtsland Iran zu tun. Der Dokumentarfilm „Googoosh – Made of Fire“ erzählt, wie aus einem in seiner Heimat und international gefeierten Popstar eine Symbolfigur des Protests gegen ein skrupelloses Regime wurde.

Es ist die Geschichte einer Frau, die eine Showkarriere in ihrer DNA hatte. Und die dennoch aller Möglichkeiten beraubt wurde, ihre Kunst auszuüben. 1950 kommt Faegheh Atashin als Kind aserbaidschanischer Einwander*innen in Irans Hauptstadt Teheran zur Welt. Ihr Vater tingelt mit Kleinkunst durchs Land, stellt sie schon im Alter von zwei Jahren auf eine Bühne und verpasst ihr den besagten Künstlernamen, der in etwa „kleiner Vogel“ bedeutet.

Sie nährt die Hoffnung auf einen anderen Iran

Vom Kinderstar entwickelt sich Googoosh zur prominenten Sängerin und Schauspielerin. Als erste iranische Chanteuse verbindet sie persische Poesie mit Jazz, Blues und anderen westlichen Einflüssen. In den 70er-Jahren geht sie auch international durch die Decke, sie tritt beim Sanremo-Festival und in den USA auf und singt auf einer Geburtstagsparty der Schah-Familie.

Generationen von Anhänger*innen verehren Googoosh bis heute als „Tochter Irans“. Ihre Lieder heilen die Wunden, die das erzwungene Leben im Exil bei vielen von ihnen hinterlassen hat. Sie füllen die Lücke einer verlorenen Heimat und nähren die Hoffnung auf einen anderen Iran.

Unverhofftes Comeback nach 21 Jahren

Mit der Islamischen Revolution ist all das vorbei. Die fundamentalistischen Kleriker halten Musik für schändlich. Googoosh kommt ins berüchtigte Evin-Gefängnis und wird mit einem Berufsverbot und Hausarrest belegt. 21 Jahre lang vergräbt sie sich in ihren vier Wänden. Kurz nach der Jahrtausendwende kommt die unerwartete Chance, in Nordamerika ein Comeback auf der Bühne zu starten.

Heute lebt die Künstlerin in Kalifornien. Von dort blickt sie im Film auf ihr Leben zurück. Aus ihren Worten (in der Synchronfassung gesprochen von Iris Berben) formt sich ein Erzählfaden von der Schah-Herrschaft über die Islamische Revolution von 1979 bis in die jüngste Zeit. Darin spiegelt sich das Leben einer Frau wider, die bereits vor der Zeit des Mullah-Regimes um ihre Selbstbehauptung kämpfen musste und die sich einzig und allein auf der Bühne komplett frei gefühlt hat.

In dieser Erzählung formt sich auch ein im Wortsinn buntes Bild eines Landes, das ab 1979 zumindest in der Außenperspektive für lange Zeit von schwarzen Turbanen und Schleiern bestimmt wurde. „Googoosh“ zeigt, wie es im Iran groovte, selbst wenn das Reich des verschwenderischen Schahs wahrlich keine lupenreine Demokratie war. Das zeigen nicht nur die Archivaufnahmen, sondern auch die Erinnerungen der Protagonistin, die nichts beschönigt, oft eher nüchtern berichtet und doch viel von ihrer Persönlichkeit einbringt.

Viele Brüche im Leben einer Frau

Wird Geschichte im Rückblick betrachtet, entsteht oft der Eindruck, das Geschehen bewege sich unvermeidlich in eine bestimmte Richtung. Nicht so bei Niloufar Taghizadeh: Indem die deutsch-iranische Filmemacherin („Nilas Traum im Garten Eden“) die vielen Brüche im Leben ihrer Protagonistin rekonstruiert, macht sie deutlich, wie offen die Entwicklung vieler Lebensphasen von Googoosh verlief.

Als junger Mensch hatte sie mit Politik nicht viel am Hut. Im Alter nimmt Googoosh an Kundgebungen unter dem Motto „Frau, Leben, Freiheit“ teil. Zum Jahrestag des Todes von Jisa Mahsa Amini veröffentlicht sie mit anderen Künstler*innen den Protestsong „Dobareh“ (deutsch: „Wieder“) im Internet. Vom unpolitischen Star zur Protestikone: Mit ihrem berührenden und unterhaltsamen Film macht Niloufar Taghizadeh zeigt, dass dieser Weg nicht vorgezeichnet war, aber am Ende doch konsequent ist.

„Googoosh“ (Deutschland 2024), ein Film von Niloufar Taghizadeh, 95 Minuten

mindjazz-pictures.de

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